Der Blinde Passagier

Der Blinde Passagier

Warnung: Der folgende Text enthält einige unwesentliche Spoiler.

Eines der beliebtesten Themen in Horrorfilmen ist das „Slasher“-Genre. Hier wird ein Mörder porträtiert, der sich nach und nach durch eine Gruppe von Opfern schnetzelt und am Ende von der Hauptperson nieder gestreckt wird. Dieses Thema wurde aber auch oft und gerne in Sci-Fi Filmen verwendet. Wer nun an Scotts „Alien“ von 1979 denken muss, liegt schon sehr richtig. Dies ist wohl der berühmteste Vertreter des „Sci-Fi Slasher“ Sub-Genres und das vermutlich auch aufgrund des ausgefallenen Aliendesigns von H. R. Giger und den fantastischen Kulissen. Ridley Scott weiß einfach wie man so etwas zu inszenieren hat. Seinen Höhepunkt erreichte die Filmreihe wohl erst mit dem zweiten Teil von Cameron, aber dieser passt dann schon nicht mehr in das genannte Genre (der Dritte hingegen schon).
Nicht nur das Design des Aliens aus „Alien“ hat viele Filmemacher inspiriert, auch die Art des Films hat viele Nachahmer gefunden, manche besser, manche schlechter. Wenn man bedenkt, dass „Alien“ nicht der erste Film war, der das Genre geprägt hat, sondern auch eine Art Remake, bemerkt man erst, dass man nicht allzu originell sein muss, um einen Streifen zu drehen, der einen wichtigen Beitrag zur Filmgeschichte liefert. Es geht mir in diesem Artikel darum, einige Vertreter dieses Subgenres etwas genauer zu beleuchten. Damit dies nicht ausufert, möchte ich mich auf jene Filme beschränken, bei denen sich die Opfer innerhalb eines in sich geschlossenen Systems befinden, etwa ein Raumschiff, oder eine Forschungsstation, die auf einem Planeten mit lebensfeindlichen Bedingungen steht. Das Alien kann ein fehlgeschlagenes Experiment, eine außerirdische Bestie oder eine feindliche außerirdische Intelligenz sein – genauer gesagt: wichtig ist nur, dass es alleine ist und nicht etwa in einer Gruppe, nicht-mythologischen Ursprungs und feindlich gesonnen ist.

Da wir nun die Regeln festgelegt haben, beginnen wir mit dem ersten nennenswerten Vertreter des Genres: „The Thing from another World“ (1951). Nicht nur ist dies das Original zum Horrormeisterwerk „The Thing“ von 1982, es ist auch eine deutliche Inspiration zu „Alien“. Der Film handelt von einem eingefrorenen Außerirdischen, der von einer Gruppe Polarforschern gefunden wird und anschließend zu einer unaufhaltsamen Gefahr in ihrer von der Außenwelt abgeschnittenen Forschungsstation wird.
Dies ist mit Sicherheit einer der besseren Sci-Fi Filme der 50er, nicht zuletzt da er gewissermaßen eine Art Romanverfilmung der Geschichte „Who Goes There“ von John W. Campbell Jr. aus dem Jahre 1938 ist – obgleich man sich hier einige Freiheiten genommen hat. Campbells Monster konnte sein Aussehen ändern, wohingegen das Alien in diesem Film ein intelligentes, humanoides Gemüse ist. Neben dem Monster, das ein bisschen so aussieht wie Frankenstein, bekommt man einige gute und beeindruckende Effekte und eine wundervolle Atmosphäre geboten.

Der nächste Film auf meiner Liste, der sich mit der Thematik beschäftigt hat, ist „It! The Terror from Beyond Space“ (1958). Diesem Film wird nachgesagt, das Original zu Scotts „Alien“ zu sein. Im Wesentlichen stimmt das, auch wenn es die üblichen Unterschiede gibt. Die Handlung dreht sich um einen Rückflug vom Mars, auf dem ein Kapitän eines interstellaren Langstrecken Raumschiffs zurück zur Erde transportiert werden soll, weil man ihn, als einzigen Überlebenden seiner Mannschaft, als Mörder anklagt. An Board befindet sich jedoch ein Wesen, welches unaufhaltsam Ebene nach Ebene des schlanken, raketenförmigen Raumschiffs für sich erobert, und dabei die halbe Crew vernichtet. Es ist ein relativ typischer Sci-Fi Trashfilm der 50er mit charmanten Kulissen und einem Gummikostümmonster, das doch sehr an „Creature from the Black Lagoon“ (1954) erinnert. Für einen Film aus den 50ern ist „It!“ jedoch schon relativ brutal und weiß, durch eine düstere Beleuchtung eine für damals recht bedrohliche Atmosphäre zu erzeugen. Wer auf den Stil steht, der sollte sich diesen Film in keinem Fall entgehen lassen.

1965 wurde das Thema auf eine sehr andere Art und Weise von „Mutiny in Outer Space“ behandelt. Hier ging es um eine Raumstation, auf der sich eine Art Pilzgewächs verbreitet und einige Besatzungsmitglieder tötet. Die Parallelen zum Gemüsemonster aus „The Thing“ sind zwar nicht ganz zutreffend, aber irgendwie schon offensichtlich. Hier gibt es zwar nun kein echtes Monster, aber in gewisser Weise fällt es schon unter unsere Definition. Zudem ist dieser Film ein wundervolles Beispiel dafür, wie man das Thema, ohne wirklich von der Formel abweichen zu müssen, sehr originell gestalten kann. Der Film an sich ist sehr trashig, und sogar noch in S/W gedreht, obwohl man zugeben muss, dass das Gewächs an sich in all seiner Unbedrohlichkeit doch für damalige Verhältnisse recht lebendig wirkt und auch tatsächlich zu einer ernstzunehmenden Gefahr wird. Dennoch kann ich ihn nur echten Trashliebhabern guten Gewissens empfehlen.

Das erste Remake von „It!“ war „Queen of Blood“ von 1966. Obwohl dieser Film doch einen sehr anderen Ansatz hat, lässt sich der Remakecharakter nicht abstreiten. Der hauptsächliche Unterschied ist wohl, dass man es diesmal anstatt mit einer hirnlosen Bestie mit einer feindlichen Intelligenz zu tun hat, die ihre Opfer weniger durch rohe Gewalt tötet, als durch eine Art hypnotischen Blick und anschließendem Blutaussaugen. In dem Film geht es darum, dass eine Gruppe von Astronauten als Reaktion auf einen Hilferuf eines havarierten Alienraumschiffs auf den Mars fliegt und dort eine außerirdische Frau aufliest, die sich als nicht ganz so harmlos entpuppt. Sie ist tatsächlich eine Art Königin, die ihre Art in Form von Eiern verbreiten will.
Interessant sind hier die leichten Parallelen zu „The Thing“ (1951): die Außerirdische scheint ebenfalls eine Art Pflanzenkreuzung zu sein, obwohl sie hochgradig humanoid wirkt. Weiterhin wird hier kein Geheimnis um die Mordlust der Außerirdischen gemacht. Man nimmt es hin, da man sie als Forschungsobjekt verwenden will. Dies bringt eine ganz neue Wende in das Thema, da die Lösung des Problems zum Greifen nah ist, jedoch aus anderen Gründen nicht durchgeführt werden kann.
Der Film wurde in den 60ern gedreht und ist, wie viele Filme aus den Anfangszeiten des Farbfilms, mit sehr bunten Lichteffekten versehen. Allerdings muss zudem noch gesagt werden, dass man hier auch sehr schöne Aufnahmen von den verschiedenen Planeten- und Trabantenoberflächen zu sehen bekommt. Viele andere Szenen sind mit hübschen Gemälden ausgeschmückt und man bekommt viele nette und charmante Miniaturen zu sehen. Dies ist wohl eher ein Film für Genrefans und solche, die es gerne werden wollen.

Als nächstes käme chronologisch gesehen „Alien“ von 1979, aber über diesen Film muss ich wohl kaum Worte verlieren, er hat Filmgeschichte geschrieben und zählt heute zu den Kultfilmen, die man einfach gesehen haben muss. Ich habe anfangs schon einiges über das Design des Aliens gesagt, kann aber nun durch die zusätzlich gegebenen Informationen noch etwas vergleichender darauf eingehen. Giger hat zwar ein ziemlich außergewöhnliches Design geschaffen, das was jedoch wirklich neu und einzigartig ist, das ist wohl der Lebenszyklus des Wesens.
In 4 Stufen wächst das Alien heran: Zunächst gibt es das Ei, in dem der Facehugger heranwächst. Dieser sucht sich sein Opfer, legt in diesem dann das tatsächliche Alien ab und stirbt anschließend. Nach einer gewissen Inkubationszeit beisst sich das Alien aus seinem Wirt heraus und muss essen, um seine uns bekannte Form zu erlangen. Die „Queen of Blood“ hatte ähnliche Absichten, sie musste parasitär Blut trinken, um zu essen und sich zu stärken um anschließend ihre Eier legen zu können. So ist das Alien eine interessante Variante der Verbindung zwischen dem unaufhaltsamen, brutalen Monster aus „It!“ und den Verbreitungseigenschaften aus „Queen of Blood“ mit ein bisschen mehr Würze, denn neu ist die Art, in der diese Eigenschaften miteinander verbunden werden.
Wer „Alien“ nicht kennt, sich aber für das Genre an sich interessiert, dem empfehle ich den Film wärmstens. Es ist ein intensiver und spannungsgeladener, zeitloser Klassiker mit unglaublich guten Kulissen und tollen Effekten. Von Alien gab es noch 3 Fortsetzungen und zwei Crossovers mit den Predators, sowie haufenweise Spiele, Comics etc… .
Obwohl „Alien³“ von 1992 ebenfalls noch unserer Definition entspricht, werde ich jedoch nicht weiter auf den Film eingehen und das Alien Kapitel an dieser Stelle schließen; denn „Alien“ fand natürlich schnell viele Nachahmer, ganz besonders was das Design angeht. Man könnte nun eine nahezu endlose Liste an Alien-Kopien aufstellen, wie etwa „Alien Lockdown“ (2004) oder „Deep Space“ (1988). Ich möchte mich auf zwei ganz bestimmte Filme beschränken, die unserer anfänglichen Definition entsprechen und zudem noch ein interessantes Bild über zwei verschiedene Epochen der Filmgeschichte aufzeigen.

Kommen wir also zu „Mutant“ (1982). In diesem Film wird eine Art Weltraum-Sheriff zu einem Forschungslabor auf einem Planeten mit lebensfeindlichen Bedingungen gerufen. Dort ist ein Experiment entkommen, das in etwa so aussieht wie das leere, in eine Ecke geworfene Alien Kostüm aus „Alien“ mit ein paar schwarzen beinartigen Schläuchen dran. Das Wesen ist intelligent und verspeist nach und nach das ansässige Forschungsteam.
Dieser Film ist aus den Anfängen der 80er und damit voll im Trend des Splattergenres. Jedoch ist er noch nah genug an den 70ern dran, um ebenfalls vom Exploitationkino zu profitieren. Was den Zuschauer also erwartet, ist ein ziemlich textil-freies Gemetzel, das in den schönsten und grellsten Farben erstrahlt und regelmäßig mit einfarbigen Scheinwerfern ausgeleuchtet wird. Achtet beim Kauf dieses Films also unbedingt auf eine gute Bildqualität, da ihr sonst über lange Strecken nichts erkennen werdet.
Ein absolutes Highlight des Films ist der freche Roboter Sidekick des Helden namens SAM-104, der die wohl besten Sprüche im Film für sich gepachtet hat und an Zynismus nicht spart. Der Held ist ansonsten viel zu sehr damit beschäftigt, sich um den weiblichen Teil des Forschungsteams zu kümmern, und der weibliche Teil des Forschungsteams ist ansonsten viel zu sehr damit beschäftigt, auf all die dummen und naiven Ideen zu kommen, die man so haben kann – ich werte es jetzt einfach mal als selbst gewählten Freitod als Option zu einer Affaire mit dem Helden. Eine Trashgranate mit durchaus vorhandenem Unterhaltungswert, wer auf so was steht kann hier ruhig zugreifen.

Bereits 1991 kam mit „Dead Space“ ein ziemlich treues Remake, das im Wesentlichen nur die Rollen der Personen überarbeitet hat und etwas kreativer im Umgang mit dem Alien war, die Geschichte hingegen ist fast identisch. Der Roboter ist etwas zahmer geworden, der Held pflichtbewusster, die Frauen emanzipierter und intelligenter, die Kamera ruhiger und die Beleuchtung sinnvoller. Alles in allem ist der Film eine sehr viel aufgeräumtere Version der Geschichte. Im Vergleich der beiden Filme kann man jedoch geradezu wundervoll den Zeitsprung erkennen; denn jeder dieser Filme ist so etwas wie der Prototyp eines Trashfilms aus seinem Jahrzehnt. Wenn man aus heutiger Sicht nur einen von diesen Filmen sehen will, dann empfehle ich „Dead Space“, da dieser für den modernen Zuschauer doch wohl etwas bekömmlicher sein dürfte.

Damit endet mein kleiner Exkurs in dieses Sub-Sub-Genre der „Sci-Fi Slasher“ mit klaustrophobischen Neigungen, obwohl die Liste natürlich noch deutlich länger sein könnte. Ich habe jene Filme heraus gesucht, die ich für die interessantesten oder wichtigsten Vertreter meiner Definition halte und hoffe, einige von euch damit inspiriert zu haben sich nach mehr Informationen über die einzelnen Filme umzusehen, denn da gibt es noch viel mehr:
Wieso ist diese kleine Unterkategorie so gut vertreten? Was fasziniert uns daran in einem engen Raum auf Tuchfühlung mit einem unbekannten, gefährlichen und feindlich gesonnenen Wesen zu gehen?
Nun, zum einen ist es sehr günstig für Filmemacher, einen eingegrenzten Raum zu haben, gerade dann, wenn man Kulissen bauen muss. Dann ist es sicherlich auch so, dass ein fremdartiges Wesen, das wir folglich nicht einschätzen können, grundsätzlich allein durch seine mögliche Anwesenheit Unbehagen verursacht, es ist wohl die Angst vor dem Fremden – und an dieser Stelle kann man wohl anfangen, eine Doktorarbeit zu verfassen.

- Holger Sontag,  besucht www.mercuryproductions.de

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